Inspiriert von Wassilys Bibliothek hab ich mich an jenes Gemälde erinnert, dass mich unlängst so verblüfft hat:
Die Madonna mit Glatze und diesen seltsam positionierten Kugelmöpsen wie aus einem Manga Comic entsprungen, umgeben von den herrlich utopischen roten und blauen Engeln mit diesen unsäglich gelangweilten Gesichtsausdrücken, die mich an Andy Warhols Pop Art Perioden erinnern…
Und dann fällt mein Blick auf den Maler und die Jahreszahl der Schöpfung:
Diptychon von Melun
Jean Fouquet
1456
Hätte Maria hier eine Swatch am Handgelenk hätte mich das nicht überrascht. Hätte Jesus DJ-Kopfhörer an den Ohren, kein Problem! Aber VIERZEHNSECHSUNDFÜNFZIG? Dunkelstes Spätmittelalter? Unmöglich! Für mich ist damit der letzte Zweifel an der Existenz von Zeitreisen für immer beseitigt. Dieser Herr Fouquet MUSS ja wohl ein paar Jahrhunderte später geboren worden sein! Geht garnicht anders.
Da mein Interesse nun mal geweckt war, musste ich natürlich auch die Geschichte dieses Bildes ausforschen. Das Altarbild besteht natürlich, wie es sich für ein Diptychon gehört, aus zwei Teilen. Der linke Flügel, auf dem der Auftraggeber und königliche Schätzmeister Etienne Chevallier abgebildet ist, passt jedoch zu meiner Manga Madonna wie Nudeln zu Schnitzel (ja, ich weiß, es gibt gewisse Bevölkerungsgruppen jenseits des Pazifiks, die meinen das muss so sein…). Gut also, dass die beiden Teile nun auch physisch getrennt sind, der linke Teil hängt in Berlin, der rechte in Antwerpen.
Eine Inschrift auf der Rückseite des rechten Flügels verrät das Vorbild zu dieser dekadent verruchten Madonna: „Die heilige Jungfrau mit den Zügen von Agnès Sorel, Mätresse Karls VII, König von Frankreich, gestorben 1450„. Also wurde hier eine Mätresse posthum zur Heiligen erklärt, während fast zeitgleich das Malleus maleficarum die Hexenverbrennungen zum neuen Hype erhob. Nun ja, die Obrigkeit richtet sichs halt seit jeher nach Belieben…
Fest steht, dass Agnès Sorel eine selten illustre Persönlichkeit war. Als sie 20 jährig am französischen Hof auftauchte, verliebte sich der König sofort Hals über Kopf in sie. Aus Papst Pius II Memoiren schwingt benebst ein Spur Neid mit: „Bei Tisch, im Bett, im Rat, immer musste sie an seiner Seite sein.“ und auch der Bischof beschwerte sich über ihr sündhaft tiefes Dekollete, dass er zuvor sicher ganz genau in Augenschein genommen hatte.
Und während Karls Gattin Königin Marie vollauf mit der Aufzucht der 14 Kinder ausgelastet war, ritt Agnes als einzige Frau weit und breit hoch zu Ross in juwelenbesetzter Rüstung ins Turnier und zog im Hintergrund die politischen Zügel im Kampf gegen die Engländer.
Also auch Agnes eine Zukunftsreisende? Wer weiß! Jedenfalls verdanken die Welt ihr und Jean Fouquet dieses interessante Gemälde und ich wiederum verdanke dieses Gemälde dem Müs, seineszeichens bester Ex der Welt! Dankeschön für alles (musste auch mal gesagt werden!)!